Deutsche Finanzinstitute, Adani Ports und die Verbrechen myanmarischer Militärs
Vor über zwei Monaten, am 1. Februar 2021, putschte in Myanmar das Militär unter Commander-in-Chief Min Aung Hlaing, verhaftete zivile Politiker*innen und annullierte die Wahlergebnisse vom November 2020, die die Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zum Sieger erklärt hatten. Auf die Proteste gegen den Putsch reagierte das Militär mit Repressionen, schaltete das Internet ab und schoss mit scharfer Munition und sogar Artillerie auf Menschen, die friedlich demonstrierten.[1] Die Gefangenenhilfsorganisation AAPP schätzt die Zahl der getöteten Zivilist*innen auf über 700. Mehr als 3000 Menschen seien eingesperrt worden und berichten zuteil von schwerer Folter während der Verhöre.[2]
Bereits in der Vergangenheit war das myanmarische Militär verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen. Im August 2017 begannen in Grenzregionen Myanmars Säuberungsoperationen gegen die Minderheit der Rohingya. Über 700.000 Menschen flohen nach Bangladesch, um den Massenerschießungen, der systematischen Folter, der gezielten Vergewaltigung und sexueller Versklavung zu entkommen.[3] Da die vom Militär begangenen Menschenrechtsverletzungen die Tatbestände des Genozids, der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen könnten, finden aktuell Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofs statt.[4]
Ein wichtiger Grund dafür, dass das Militär bereits vor dem Putsch diese Verbrechen begehen und unabhängig von ziviler Kontrolle agieren konnte, sind die Geldflüsse, die die Militärs zusätzlich zu ihrem offiziellen Budget erhalten.[5] Die Militärs kontrollieren zwei Konglomerate, Myanma Economic Holdings Limited (MEHL) und Myanmar Economic Corporation (MEC), die ihnen unabhängig vom staatlichen Verteidigungsbudget hohe Einnahmen garantieren. Die beiden Konglomerate besitzen ca. 120 Unternehmen aus verschiedensten Wirtschaftsbereichen, befinden sich im Besitz von ehemaligen und aktuellen Militärs und sind in die militärische Kommandostruktur eingebunden. Der MEC-Vorsitzende ist ein General, der direkt dem Armeechef und Putschführer Ming Aung Hlaing untersteht.[6] Außerdem haben Hlaing und Soe Win (nach Hlaing der zweithöchste Militär Myanmars) die Aufsicht über das Direktorium von MEHL. Viele der Tochterfirmen von MEC und MEHL werden von Familienangehörigen der Generäle geführt.[7] Zudem hat MEHL Dividenden in Milliardenhöhe an Militäreinheiten ausgeschüttet, denen schwere Verbrechen angelastet werden.[8]
Aufgrund der Verstrickungen hat die Fact-Finding Mission des UN-Menschenrechtsrats bereits 2019 ausländische Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu MEC oder MEHL davor gewarnt, sich mitschuldig zu machen an Menschenrechtsverletzungen.[9] Einige multinationale Unternehmen, darunter der japanische Brauereikonzern Kirin Holdings und Modekonzerne wie Esprit oder H&M, haben bereits die Geschäftsbeziehungen zu den beiden Konglomeraten eingestellt oder eine Beendigung angekündigt.[10] Andere Unternehmen wollen an ihrer Finanzbeziehung zu MEC und MEHL festhalten, trotz wiederholter Appelle seitens der UN und Menschenrechtsorganisationen.[11] Zu ihnen zählt der größte private Hafenbetreiber Indiens, Adani Ports and Special Economic Zone Limited, eine Tochterfirma der Adani Group. Beim Hören des Namens Adani werden sich einige an die Steinkohlemine Carmichael erinnern, die Adani derzeit trotz massiver Proteste in Australien baut und die den Zielen des Pariser Klimaabkommens entgegensteht.[12]
In Myanmar hat Adani Ports im Mai 2019 einen Vertrag mit MEC über den Bau und Betrieb eines Hafens in Rangun, der größten Stadt Myanmars, abgeschlossen.[13] Adani Ports will 290 Millionen US-Dollar in den Hafen investieren, der sich auf Land von MEC befindet. Tatsächlich hat Adani Yangon International Terminal Company Limited, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Adani Ports in Myanmar, bereits 52 Millionen US-Dollar für die Nutzung des Geländes von MEC gezahlt. Nach 50 Jahren Laufzeit soll der Hafen dann in Militärbesitz übergehen.[14] Mit dieser vertraglichen Ausgestaltung hilft Adani Ports indirekt bei der Finanzierung des myanmarischen Militärs. Von den Landnutzungsgebühren profitiert das Büro des Quartermaster Generals, das für das Militär neue Waffen kauft, die gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden könnten.[15]
Adani Ports hält trotz alledem an der Geschäftsbeziehung zu MEC fest. Im Februar 2021 bekräftigte Karan Adani, CEO von Adani Ports, dass die Bauarbeiten am Hafen trotz des Militärputsches weiterliefen.[16] Statt angemessen auf den Militärputsch zu reagieren, weist Adani Ports jegliche Mitschuld von sich ab[17] und verstrickt sich in Falschaussagen.[18] Auf Fotos aus dem Jahr 2019 ist CEO Karan Adani zusammen mit Putschführer Hlaing beim Austausch von Geschenken in Indien zu sehen. Gegen Hlaing waren schon damals EU-Sanktionen verhängt, wegen seiner Rolle beim Vorgehen des Militärs gegen die Rohingya. Dass die Kooperation zwischen Adani und MEC der unternehmenseigenen human rights policy sowie den Prinzipien des UN Global Compact, dem Adani Ports im November 2020 beigetreten ist, widerspricht, scheint keine Rolle zu spielen.[19]
Unter den Investoren von Adani Ports befinden sich auch deutsche Finanzinstitute wie die DZ Bank und die Deutsche Bank.[20] Der zur Deutschen Bank gehörige Vermögensverwalter DWS hält Aktien von Adani Ports in Höhe von 3,62 Millionen US-Dollar.[21] Zudem hält die DWS Anleihen von Adani Ports in Höhe von ca. 2,2 Millionen US-Dollar. Auch weitere deutsche Finanzinstitute halten Anleihen von Adani Ports, unter anderem die Allianz über ihre Investmentgesellschaft PIMCO (ca. 44 Millionen US-Dollar) und die BayernLB über die BayernInvest Kapitalanlagegesellschaft (200.000 US-Dollar).[22] Hinzu kommt, dass die DZ Bank und die Landesbank Baden-Württemberg im März 2020 an einem 600 Millionen US-Dollar Kredit an Adani Ports beteiligt waren, wobei die DZ Bank 50 Millionen US-Dollar und die LBBW 18,80 Millionen US-Dollar beigesteuert haben. Außerdem waren die Deutsche Bank und ihre indirekte Tochtergesellschaft, Deutsche Bank Securities Inc, zusammen mit anderen Banken im Juli 2019 und Juli 2020 an der Ausgabe von Adani Ports Anleihen in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar beteiligt.[23]
Darüber hinaus sind deutsche institutionelle Investoren auch an der Adani Group, dem Mutterkonzern von Adani Ports, beteiligt. Die Deutsche Bank hält Aktien (ca. 1,2 Millionen US-Dollar) und Anleihen (ca. 15,7 Millionen US-Dollar) der Adani Group und ist Underwriter eines Kredits in Höhe von 235 Millionen US-Dollar an die Adani Group. Weitere deutsche Finanzinstitute halten Anleihen der Adani Group, so die Deka Group (1,3 Millionen US-Dollar), die DZ Bank (1 Million US-Dollar) und die Allianz (ca. 173 Millionen US-Dollar), womit die Allianz sogar weltweit die meisten Anleihen der Adani Group besitzt.[24]
Bislang macht Adani Ports keinerlei Anstalten, angemessen auf den Militärputsch und die schweren Menschenrechtsverletzungen der Militärs zu reagieren, weshalb sich bereits einige institutionelle Investoren wie beispielsweise der finnische Finanzkonzern Nordea aus ihren Positionen bei Adani Ports zurückgezogen haben.[25] Wir fordern die deutschen Finanzinstitute auf, diesem Beispiel zu folgen und ihre Investitionen bei Adani Ports zu beenden, da der Konzern sich weiterhin weigert, seine Kooperation mit myanmarischen Militärs aufzugeben. Auch S&P Global Inc hat bereits reagiert und Adani Ports aus dem Dow Jones Sustainability Index entfernt, woraufhin der Börsenwert des Unternehmens zwischenzeitlich gefallen ist.[26] Jetzt ist es an der Zeit, dass auch deutsche Finanzinstitute die Konsequenzen ziehen und die Finanzierung von Adani Ports beenden.
* Da einige Finanzinstitute seit Verfassen dieses Artikels auf die Geschehnisse reagiert haben, wurden die hier genannten Zahlen zu Aktien, Krediten und Anleihen von Adani Ports am 09.06.2021 aktualisiert. So hat beispielsweise PIMCO, die Investmentgesellschaft der Allianz, Adani Ports von künftigen Investitionen ausgeschlossen und die gehaltenen Adani Ports Anleihen von ca. 119 Millionen US-Dollar auf ca. 44 Millionen US-Dollar reduziert.
Autor: Luca Schiewe
[1] https://www.reuters.com/article/myanmar-politics/wrapup-10-at-least-five-dead-in-bloodiest-day-of-myanmar-protests-against-coup-idUSL2N2KY00J [2] https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-04/myanmar-protest-militaerregime-tote-wirtschaft-boykott [3] https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/FFM-Myanmar/A_HRC_39_CRP.2.pdf [4] https://www.icc-cpi.int/Pages/item.aspx?name=pr1495 [5] https://www.amnesty.org/download/Documents/ASA1629692020ENGLISH.PDF [6] https://jfm-files.s3.us-east-2.amazonaws.com/public/Port+of+Complicity+Report+-+FINAL+-+High+Resolution.pdf [7] https://www.dw.com/de/in-myanmar-bereichert-sich-das-milit%C3%A4r-an-der-wirtschaft/a-57140147 [8] https://www.amnesty.org/download/Documents/ASA1629692020ENGLISH.PDF [9] https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/FFM-Myanmar/20190916/A_HRC_42_CRP.5.pdf [10] https://www.bbc.com/news/business-55944643 [11] https://www.amnesty.org/download/Documents/ASA1629692020ENGLISH.PDF [12] https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/australien-adani-mine-soll-weltgroesster-steinkohleabbau-werden [13] https://jfm-files.s3.us-east-2.amazonaws.com/public/Port+of+Complicity+Report+-+FINAL+-+High+Resolution.pdf [14] https://www.dica.gov.mm/sites/dica.gov.mm/files/document-files/adani_rule_38_english.pdf [15] https://jfm-files.s3.us-east-2.amazonaws.com/public/Port+of+Complicity+Report+-+FINAL+-+High+Resolution.pdf [16] https://www.adaniports.com/-/media/Project/Ports/Investor/Transcripts/Q3-FY21-Earnings-call.pdf [17] https://www.adaniports.com/Newsroom/Media-Releases/Media-Statement-from-Adani-Group-on-Myanmar-Situation [18] https://www.abc.net.au/news/2021-03-30/queensland-adani-ports-myanmar-military-deal/100032156 [19] https://www.unglobalcompact.org/what-is-gc/participants/140716-Adani-Ports-and-Special-Economic-Zone-Limited [20] https://jfm-files.s3.us-east-2.amazonaws.com/public/Port+of+Complicity+Report+-+FINAL+-+High+Resolution.pdf [21] Abgerufen von Refinitiv Eikon am 07.06.2021 [22] Abgerufen von Refinitiv Eikon am 07.06.2021 [23] Abgerufen von Refinitiv Eikon am 07.06.2021 [24] https://coalexit.org/finance-data?name=Adani+Group [25] https://www.vk.se/2021-04-02/svenska-sparpengar-i-militarjuntans-partners [26] https://www.wsj.com/articles/indias-adani-faces-scrutiny-for-port-deal-in-myanmar-11618824601
Foto: Adani Mundra Port Kutch Gujarat, Emperor Genius [CC BY-SA 3.0] - Wikimedia Commons