Due Diligence in der Lieferkette und die Rolle des Finanzsektors – Der Fall der Nickelmine Fénix in Guatemala
Murrin Murrin autoclave (2007) | Bild: mm-j, Flickr / CC BY-NC 2.0
Seit Jahren weist Facing Finance auf Unternehmen hin, deren Aktivitäten zu erheblicher Umweltzerstörung und zu weitreichenden sozioökonomischen Schäden führen, von denen insbesondere indigene Völker betroffen sind, deren Lebensgrundlage unter anderem zum Zweck der Rohstoffgewinnung zerstört wird. Aufgrund der tiefgreifenden Veränderung der Umwelt und der daraus resultierenden massiven Verschlechterung der Lebensumstände oder durch den externen Druck der Unternehmen sind Indigene oft dazu gezwungen die bewohnten Gebiete zu verlassen und die traditionelle Art zu leben aufzugeben.
Dies zeigt sich auch im Fall der Fénix-Nickelmine in El Estor Guatemala, in der das Schweizer Bergbauunternehmen die Solway Investment Group (Solway Group) seit 2014 Nickel abbaut. Die seit Jahren in der Kritik stehende Nickelmine, weckte nun durch einen Datenleak neues Interesse, der von dem Journalistenkonglomerat Forbidden Stories veröffentlicht worden ist. Die BewohnerInnen der lokalen Gemeinden protestieren seit Jahren gegen die enorme Umweltbelastung durch Abholzung, Luftverschmutzung sowie die Verschmutzung des Izabal Sees und der umliegenden Flüsse, welche die Lebensgrundlage für die ansässige Bevölkerung bilden. Sowohl die Solway Group, welche sich selbst als verantwortungsbewusster Arbeitgeber und Nachbar bezeichnet[1], als auch die zuständigen Behörden bestreiten dabei den negativen Einfluss der Fénix-Mine auf das Leben der Indigenen und die Umwelt. Auffällig ist vor allem das Verhalten der Polizei, die seit Jahren mit besonderer Härte gegen Protestierende vorgehen. Außerdem wurden Anträge im Parlament auf Entzug der Minenlizenz abgelehnt und Personen, die die Verstöße kritisierten, verklagt[2].
Die neuen Recherchen von Forbidden Stories, die zusammen mit einem umfangreichen Datenleak veröffentlicht wurden, belegen, dass die Solway Group die verursachten Schäden an der Umwelt und dem Lebensraum der umliegenden Bevölkerung nicht nur in Kauf genommen hat, sondern auch möglicherweise aktiv vertuscht haben soll. So sollen Tochterfirmen jahrelang die örtliche Polizei und Entscheidungsträger bestochen haben. Zudem lasse sich in den geleakten Daten Planungen zur Vertreibung der Bewohner der Dörfer nachvollziehen, welche sich in Gebieten befinden, die sich für den Abbau von Nickel eignen[3].
Die Solway Group sollte dabei allerdings nicht für sich betrachtet werden. Mindestens genauso entscheidend ist es, welche Unternehmen das Nickel der Fénix-Mine beziehen, dabei die fragwürdigen Bedingungen des Abbaus hinnehmen und damit ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, welche ihnen im Zuge der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zugeschrieben worden ist[4]. Nicht nur in diesem Fall ist es von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen auch in ihren Lieferketten bessere Due-Diligence-Prüfungen durchführen, um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden können.
Der Fall der Fénix-Mine zeigt beispielhaft, dass freiwillige Regelungen zur Durchführung von Sorgfaltsprüfungen der Lieferketten nicht ausreichen. Um diesen Sorgfaltsprüfungen eine gesetzliche Verpflichtung sowie einen inhaltlichen Rahmen zu geben, wurden in Deutschland auf Bundesebene sowie EU sogenannte Lieferkettengesetze erlassen.
Ab dem 1. Januar 2023 soll das Lieferkettengesetz gelten, welches in Deutschland niedergelassene Unternehmen ab einer Beschäftigtenzahl von 3.000 (ab 2024: 1.000) Arbeitnehmer*innen dazu verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten einzuhalten, welche auf dem due-diligence-standard der UN-Leitprinzipien basieren[5].
Am 23. März 2022 hat die EU-Kommission nach Aufforderung durch das Europaparlament einen Vorschlag für eine Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette veröffentlicht, der bereits geltende nationale Gesetzgebung ergänzen soll. Auch das deutsche Lieferkettengesetz müsste nach dem Vorschlag der EU verschärft werden. So fordert die Richtlinie eine umfassendere Due Diligence über die gesamte Lieferkette hinweg, fordert einen Plan, der den Beitrag des Unternehmens zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens verdeutlicht und vereinfacht das Stellen von Schadensersatzansprüchen gegenüber Unternehmen, falls es zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden gekommen ist. Des Weiteren soll sich durch die EU-Richtlinie der Geltungsbereich des Gesetzes vergrößern. So gelten die Bestimmungen bereits für Unternehmen ab einer Größe von 500 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresnettoumsatz von mindestens 150 Millionen Euro. Der Geltungsbereich wird zusätzlich durch Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mindestens 40 Millionen Euro ergänzt, wenn mindestens 50 % des Umsatzes in sogenannten ressourcenintensiven Branchen erwirtschaftet wird[6]. Bedeutsam ist auch die Einbindung des Finanzsektors, der im deutschen Lieferkettengesetz nicht beachtet worden ist. Finanzdienstleister wären somit bei der Vergabe von Krediten auch dazu verpflichtet, Due-Diligence-Prüfungen durchzuführen. Allerdings steht die Bestätigung des Vorschlags durch das europäische Parlament und den EU-Rat noch aus[7].
Aus den geleakten Daten und der umfangreichen Recherche von Forbidden Stories lassen sich Verbindungen der Solway Group zu anderen Unternehmen herstellen, für welche die Solway Group als Lieferant oder mittelbarer Lieferant Nickel aus der Fénix-Mine geliefert hat.
Die geleakten Daten zeigen, dass Stahlhersteller, wie Outokumpu, Ugitech, Aperam und Voestalpine, unmittelbar als Kunden der Solway Group mit dem Nickel aus der Fénix-Mine beliefert worden sind. Des Weiterem belieferte die Solway Group die italienische Stahlfabrik Accai Speciali Terni, die sich bis Januar 2022 im Besitz des deutschen Stahlherstellers Thyssenkrupp befand. Ob der neue Eigentümer der Stahlfabrik, das italienische Unternehmen Arvedi, weiterhin Nickel der Solway Group bezieht, ist unklar. Da diese Stahlhersteller unter anderem an Unternehmen wie Bosch, IKEA, Siemens und Miele geliefert hat, tritt die Solway Group hier als mittelbarer Lieferant auf. Fast alle der kontaktierten Unternehmen erklärten sich als unwissend und kündigten die Zusammenarbeit mit der Solway Group auf, veranlassten Lieferstopps oder gaben an, andere Schritte als Reaktion auf die Enthüllungen zu prüfen[8]. Gerade dieser Umgang mit den Recherchen unterstreicht, die Bedeutung einer umfangreichen Due-Diligence-Prüfung der Lieferketten.
Wie der Entwurf für die EU-Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette zu Recht bestimmt, darf die Beurteilung der Lieferketten nicht bei den Unternehmen enden. Auch die Prüfung der Lieferketten durch die Banken, die Kredite an Unternehmen vergeben oder in anderer Weise an Unternehmen beteiligt sind, ist notwendig.
Viele der vom Fair Finance Guide (FFG) bewerteten Finanzinstitute gehören zu den Investoren und Finanziers der Unternehmen, deren Lieferketten mit der Nickelmine verbunden sind. Dazu zählen: Outokumpu, Finarvendi SpA (als Mutterkonzern von Avedi), Thyssenkrupp, Bosch, Siemens und Voestalpine Böhler.
Facing Finance hat die finanziellen Beziehungen dieser Unternehmen zu FFG-Finanzinstituten genauer untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Deutsche Bank allein im Jahr 2021, hauptsächlich über die DWS, insgesamt 1,8 Mrd. Euro in Aktien der oben gelisteten Unternehmen investierte und davon fast 288 Mio. Euro in Anleihen von Siemens und Thyssenkrupp[9]. Union Investment, die Investmentgesellschaft der DZ Bank, hat mit 1,1 Mrd. Euro ebenso stark in diese Unternehmen investiert und dabei jeweils 136 Mio. Euro in Aktien von Siemens und Voestalpine und Anleihen von Siemens und Thyssenkrupp angelegt[10]. Auch die Allianz investierte direkt in Outokumpu, Siemens, Thyssenkrupp und Voestalpine (mit ca. 550 Mio. Euro) sowie über Pimco (mit 155 Mio. Euro)[11]. Die Deka-Gruppe ist mit Aktien und Anleihen im Wert von knapp 350 Mio. Euro an Siemens, Thyssenkrupp und Voestalpine beteiligt[12]. Andere FFG-Finanzinstitute wie die Commerzbank, die Axa, die Alte Leipziger und UniCredit sind zwar auch an einem oder mehreren der oben genannten Unternehmen beteiligt, allerdings mit deutlich geringeren Beträgen[13]. Wenn es also um Investitionen geht, sind die Allianz, die Deka, die Deutsche Bank (DWS) und die DZ Bank (über Union Investment) die FFG-Finanzinstitute mit dem größten Einflusspotenzial auf die Unternehmen und können von ihnen verlangen, bessere Due-Diligence in ihren Lieferketten durchzuführen.
Darüber hinaus lassen sich auch noch Beteiligungen von Banken über die Gewährung von Krediten nachweisen. Sieben Banken haben den folgenden Unternehmen Kapital zur Finanzierung ihres Geschäfts zur Verfügung gestellt: Outokumpu, Finarvendi SpA, Thyssenkrupp, Siemens und Voestalpine Böhler.
Die UniCredit, als Muttergesellschaft der HypoVereinsbank, gewährte Finarvendi SpA, Thyssenkrup, Siemens und Voestalpine zwischen 2018 und 2022 Darlehen in Höhe von rund 1,3 Mrd. Euro und war damit unter den größten Finanziers dieser Unternehmen[14]. Gleichzeitig hat die UniCredit weitere 1,3 Mrd. Euro in Anleihen von Siemens, Thyssenkrupp und Voestalpine am Markt platziert[15]. Die Deutsche Bank selbst hat für Siemens, Thyssenkrupp und Voestalpine Anleihen im Wert von mehr als 2,5 Mrd. Euro emittiert, wobei Siemens mit fast 1,3 Mrd. Euro den größten Anteil ausmach[16]. Die Commerzbank beteiligte sich an der Begebung von Anleihen (2 Mrd. Euro) und der Vergabe von Krediten (1,5 Mrd. Euro) für Siemens, Thyssenkrupp und Voestalpine[17]. Auch die niederländische ING hat für Siemens und Voestalpine Anleihen am Markt platziert (ca. 2,2 Mrd. Euro) und zusammen mit anderen Banken Kredite gewährt, wobei ihr Anteil ungefähr 1,7 Mrd. Euro beträgt[18]. Andere Banken wie die BayernLB und LBBW haben sich an Krediten in Milliardenhöhe an die Unternehmen beteiligt, während die DZ Bank hat den geringsten Betrag verliehen[19].
Allein durch die Höhe der Finanzierung lässt sich erkennen, welche Abhängigkeit diese Unternehmen vom Kapital der Banken haben. Wir fordern, dass Banken diesen Einfluss stärker dazu nutzen, Unternehmen dazu zu bringen, bessere Due Diligence in ihren Lieferketten durchzuführen. Die Verantwortlichkeit der Banken für die Due Diligence der Unternehmen, an denen sie Anteile in ihren Portfolios halten stellte auch das OHCHR, auf Nachfrage der NGOs Banktrack und OECD Watch, fest[20].
Neben der Verantwortlichkeit der Banken als Profiteure der Lieferketten von Unternehmen, lassen sich auch intrinsische Motivationen feststellen, die Banken zu der Durchführung besserer Due-Diligence-Prüfungen verleiten könnten. Einerseits kann sich das Bekanntwerden schlechter Due-Diligence-Prüfungen negativ auf die Reputation von Banken auswirken. Andererseits erhöht sich bei der Vergabe von Krediten an unzureichend geprüfte Unternehmen das Kreditausfallrisiko, da solche, wie im Falle der Solway Group, durch die Verletzung von Menschenrechten Geschäftsbeziehungen gefährden und damit an Bonität verlieren könnten.
Trotz dieser Anreize zeigen Beispiele wie das der Fénix-Mine, dass eine freiwillige Regelung oft nicht ausausreicht. Daher begrüßen wir die Entscheidung der EU-Kommission, Banken in den Geltungsbereich des Vorschlags für die Richtlinie über die Nachhaltigkeit von Unternehmen mit aufzunehmen. Allerdings geht der Vorschlag der EU-Kommission nicht weit genug.
Der oben genannte Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen sieht Sonderrollen für den Finanzsektor vor. So sollen Banken nicht als Teil der ressourcenintensiven Branchen gesehen werden, auch wenn die Voraussetzungen dazu erfüllt wären. Des Weiteren soll die Reichweite der Vorgabe für Banken eingeschränkt werden. Einerseits soll eine Due-Diligence-Prüfung seitens der Banken allein vor Vertragsabschluss notwendig sein, andererseits sollen die zu prüfenden Lieferketten der Banken eingeschränkt werden, sodass ausschließlich eine Due-Diligence-Prüfung der direkten Kunden sowie deren Tochtergesellschaften notwendig ist [21]. Eine Bewertung der Geschäftsbeziehungen und der Kontrolle während des Vertragsverhältnisses kommt somit zu kurz.
Wir finden, dass sich die Feststellung der Verantwortung seitens des OHCHR und die zugesprochene Sonderrolle der Banken durch die EU-Kommission nicht vereinen lassen. Wir fordern daher, dass sich nicht nur große Banken der Verantwortung stellen müssen und dass die Sonderregelung für Banken aus dem Vorschlag gestrichen werden, damit Banken ihren gesellschaftlichen Pflichten ohne Einschränkungen nachkommen.
Autor: Lukas Daniel
[1] https://solwaygroup.com/our-business/fenix-project-guatemala/
[2] https://forbiddenstories.org/mining-secrets-data-leak-reveals-aggressive-tactics-of-mining-giant-in-guatemala/
[3] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wirtschaft/mining-secrets-die-macht-der-f-nix-mine-e570778/
[4] https://www.auswaertiges-amt.de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf
[5] https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
[6] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1145
[7] https://www.bund-verlag.de/aktuelles~EU-Lieferkettengesetz-zum-Schutz-von-Menschenrechten-und-Umwelt~.html
[8] https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-03/Nickelmine-guatemala-mining-secrets/komplettansicht
[9] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[10] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[11] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[12] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[13] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[14] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[15] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[16] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[17] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[18] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[19] Abgerufen in Refiitiv Eikon, April 2022
[20] https://www.ohchr.org/sites/default/files/Documents/Issues/Business/finance-2021-response-nominee-shareholders.pdf
[21] https://background.tagesspiegel.de/sustainable-finance/lieferkettengesetz-betrifft-finanzbranche-kaum