Rede und Antwort auf der Hauptversammlung des Kupferkonzerns Aurubis

14 März 2024

10 Nichtregierungsorganisationen, darunter Facing Finance, kritisierten in einer Pressemitteilung den größten europäischen Kupferkonzern Aurubis vor seiner Jahreshauptversammlung. Zudem stellten sie Gegenanträge auf der Hauptversammlung gegen das Vorhaben von Aurubis, in der aktuellen kritischen Situation die Aktionäre nicht über die Entlastung oder Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat abstimmen zu lassen. Dieser Gegenantrag wurde von Luca Schiewe (Facing Finance e.V.) in seiner Rede begründet:

 

Rede von Facing Finance

„Sehr geehrter Aufsichtsratsvorsitzender Herr Vahrenholt, sehr geehrter Vorstandsvorsitzender Herr Harings, sehr geehrte Aktionäre,

Vielen Dank an alle Kleinaktionäre, die dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre ihre Stimmrechte übertragen haben. Vielen Dank an den Dachverband, dass ich für Facing Finance hier sprechen kann.

In den Gegenanträgen des Dachverbands stellen wir uns gegen die Vertagung der Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats. Der Vorstand und der Aufsichtsrat sollten dringend Rechenschaft ablegen vor den Aktionären angesichts des Chaos im Konzern, Millionenschäden durch Diebstähle, Arbeitsunfälle mit Toten und Schwerverletzten, Kündigung von 3 der 4 Vorstandsmitglieder, immensen Lieferkettenrisiken, Beschwerde gegen Aurubis im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes wegen Importen aus einer illegalen Mine in Panama, etc.

Wir stellen uns gegen das Vorhaben, heute über die Verwendung des Bilanzgewinns abstimmen zu wollen, aber die Aktionäre nicht über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats abstimmen zu lassen. Der Vorschlag, die Abstimmung über die Entlastung auf die nächste ordentliche Hauptversammlung zu vertagen, würde bedeuten, dass die Aktionäre ihr wichtigstes Recht in diesem Jahr nicht ausüben können. Dann würde wohl erst 2025 abgestimmt werden über Vorstandsmitglieder die dann bereits seit mehreren Monaten ausgeschieden sind.

Herr Harings hat in seiner Rede gesagt, dass der Vorstand durch sein Ausscheiden in 2024 die Verantwortung für die Vorkommnisse letzten Jahres übernehme. Aus unserer Sicht müssten aber die Aktionäre über die Verantwortung des Vorstands entscheiden und das geht durch eine Abstimmung über die Entlastung oder Nichtentlastung des Vorstands.

Einer der erwähnten Gründe weshalb die Aktionäre über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats abstimmen sollten, ist der Umgang von Aurubis mit Lieferkettenrisiken im abgelaufenen Geschäftsjahr. Uns geht es dabei nicht darum, das Unternehmen schlecht zu machen und die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen bei Lieferanten ist auch keine Ideologie wie von Herrn Marnette angedeutet, sondern ist Bestandteil von rationalem Lieferkettenmanagement. Wir sehen, dass Aurubis in einigen Punkten z.B. Recycling auf einem guten Weg ist. Und wir hoffen, dass sich Aurubis jetzt auch daran macht, die Nachhaltigkeit und Transparenz der Lieferkette zu verbessern. Im Interesse seiner Kunden, seiner Mitarbeiter, der Lokalbevölkerung in den kupferproduzierenden Ländern, der Umwelt und der Aktionäre.

Lieferkettenrisiken sind nicht nur soziale, menschenrechtliche und ökologische Risiken, sondern auch finanzielle Risiken für die Firma und seine Aktionäre. Zu diesen finanziellen Lieferkettenrisiken zählen das Reputationsrisiko, juristisches Risiko oder regulatorisches Risiko gegen das Lieferkettengesetz zu verstoßen. Ein Beispiel hierfür ist Aurubis Lieferbeziehung mit der Kupfermine Cobre Panama, die in Panama illegal ohne Vertrag in einem Naturschutzgebiet operiert. Uns würde interessieren, wie Aurubis seine Aktionäre über etwaige Lieferkettenrisiken informiert. Als im November 2023 der Konflikt rund um die Mine Cobre Panama, aus der Aurubis Kupfererz bezieht, eskaliert ist und 4 Todesfälle verursacht hat, hat Aurubis da seine Aktionäre informiert? Falls ja, wie? Als im Dezember 2023 der oberste Gerichtshof Panamas die Mine Cobre Panama für verfassungswidrig erklärt hat, hat Aurubis da seine Aktionäre informiert? Falls ja, wie? Als im Januar 2024 im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes Beschwerde bei Aurubis eingereicht wurde wegen der Lieferbeziehung zu Cobre Panama, hat Aurubis da seine Aktionäre informiert? Falls ja, wie?

Ein paar weitere Fragen an Vorstand und Aufsichtsrat:

  • In einer Antwort an das Business and Human Rights Resource Center hat Aurubis angekündigt, 2024 dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Risiken seiner Lieferantenbeziehungen offenzulegen. Wird Aurubis diese Analyse seiner Lieferkettenrisiken lediglich der BAFA zukommen lassen oder wird Aurubis sie veröffentlichen oder wenigstens mit interessierten Aktionären teilen?
  • Bis Sommer 2023 war die Rossmann Beteiligungs Gmbh noch die zweitgrößte Aktionärin nach der Salzgitter AG mit über fünf Prozent der Anteile. Dann hat Rossmann alle seine Aktien abgestoßen. Weiss Aurubis warum der zweitgrößte Aktionär im Sommer 2023 alle seine Aktien abgestoßen hat? Wenn ja, was waren die Gründe?
  • Codelco, ein langjähriger Lieferant von Aurubis, exploriert derzeit in Ecuador gemeinsam mit der Firma Enami die Möglichkeit, Kupfer abzubauen in einem extrem biodiversen Gebiet gegen starken Widerstand der Lokalbbevölkerung. Hat Aurubis mit Codelco oder Enami bereits Lieferverträge für die mögliche neue Mine in Ecuador abgeschlossen oder hat Aurubis bereits Verhandlungen oder Gespräche in diese Richtung geführt?
  • Im Winter 2023 hat Herr Harings den Bundeskanzler Scholz auf einer Südamerikareise begleitet. Sind im Zusammenhang mit dieser Reise Verträge oder Vorverhandlungen mit Minenbetreibern zustande gekommen? Wenn ja, in welchem Land und mit welchen Firmen?
  • Seit dem 7. Dezember 2022 regiert in Peru die de-facto Regierung von Dina Boluarte. Gab es während der Amtszeit von Dina Boluarte Verlängerungen oder Neuabschlüsse von Bergbaukonzessionen, die Aurubis zugute kommen, also Minen betreffen, aus denen Aurubis bereits Kupfererz bezogen hat oder plant, in Zukunft zu beziehen? Wenn ja, um welche Verlängerungen oder Neuabschlüsse von Bergbaukonzessionen handelt es sich?
  • Gold Fields Peru hat Aurubis jahrelang in seinen Geschäftsberichten als seinen Hauptabnehmer benannt und das 2021 plötzlich gestoppt. In Peru wird vermutet, dass Aurubis Druck gemacht hat auf Gold Fields Peru, um nicht mehr als Abnehmer genannt zu werden. Kann Aurubis diese Vermutung bestätigen oder abweisen?
  • Aurubis hat behauptet, dass alle Stakeholder die Nichtbenennung seiner Lieferanten akzeptieren würden. Allerdings haben wir heute auf der Hauptversammlung bereits von mehreren Aktionären, der DWS und des Dachverbands der kritischen Aktionäre, die Forderung nach Transparenz in der Lieferkette gehört. Auch auf der letztjährigen Hauptversammlung wurde diese Forderung vom Aktionär Ethius Invest erhoben. Wie kommt Aurubis angesichts dessen zum Urteil, dass alle Stakeholder die Nichtbenennung der Lieferanten akzeptieren würden?
  • Rund um die peruanischen Minen Antapaccay, Las Bambas und Constancia gab es etliche Vorfälle wie Zwangsumsiedlungen, Verseuchung durch Schwermetalle und Folter von Protestierenden auf Firmengelände. Aus welchen dieser Minen hat Aurubis in der Vergangenheit Kupfererz importiert? Welche Lieferbeziehungen halten bis heute an?
  • Letztes Jahr gab es eine reine Präsenz-Hauptversammlung, dieses Jahr eine rein Virtuelle. Für Aktionäre wäre es auf jeden Fall am Besten eine hybride Veranstaltung zu machen. Warum hat sich Aurubis gegen eine hybride Veranstaltung entschieden?
  • Herr Harings hat in seiner Rede gesagt, dass Kupfer das Metall der Energiewende ist. Gleichzeitig ist der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Herr Vahrenholt dafür bekannt gegen die Energiewende und für fossile Energien zu lobbyieren. Wie passen diese Aktivitäten zusammen mit der Position als Aufsichtsratsvorsitzenden eines für die Energiewende essenziell wichtigen Konzerns?
  • Aurubis schreibt in seinem Nachhaltigkeitsbericht, dass Aurubis durch seine verhältnismäßig geringen Abnahmemengen kaum Einfluss auf die ESG-Leistung seiner Lieferanten hat. Wie passt diese Aussage zusammen mit dem von Herrn Harings in seiner Rede dargestellten Stay and Improve Ansatz? Und abgesehen von dem erwähnten Beispiel Codelco, bei welchen anderen Lieferanten hat Aurubis seinen Stay and Improve Ansatz angewendet? Welche Ergebnisse hat dieser Ansatz bei welchen Lieferanten bislang erzielt?

Herr Kramer, Mitglied des Aufsichtsrats, hat gesagt, dass der anstehende Personalwechsel im Aurubis-Vorstand einen nachhaltigen Kulturwandel ermöglichen soll. Dieser nachhaltige Kulturwandel sollte dringend auch Transparenz in der Lieferkette umfassen. Und er sollte heute damit beginnen, dass die Aktionäre über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats abstimmen dürfen und nicht erst auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung.“

 

Antworten von Aurubis

  • Der Vorstandsvorsitzende Harings erklärte, dass man gegenüber kritischen Lieferanten einen „Stay and Improve Ansatz“ verfolge. Statt sich von Lieferanten, die mutmaßlich für Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, direkt zu trennen, versuche Aurubis, seinen Einfluss als Geschäftspartner zu nutzen, um die entsprechenden Lieferanten zu mehr Nachhaltigkeit und Verantwortung zu bewegen. Das klingt erst einmal sinnvoll. Es passt allerdings nicht zusammen mit der Behauptung, die Aurubis in seinem Nachhaltigkeitsbericht 2023 auf Seite 42 aufstellte: „Durch die verhält­nismäßig geringen Abnahmemengen können wir eingeschränkt Einfluss auf die ESG-Leistung unserer Lieferanten nehmen.“ Zudem konnte der Vorstandsvorsitzende Harings auf Nachfrage keine Unternehmen nennen, bei denen Aurubis den Stay and Improve Ansatz verfolgt hat und auch keine Ergebnisse, die dieser Ansatz bislang erzielt hat. Das weckt Zweifel an der Ernsthaftigkeit, mit der Aurubis den Stay and Improve Ansatz verfolgt.
  • Der Vorstandsvorsitzende Harings behauptete, dass Aurubis nie die Einschätzung getroffen habe, dass alle Stakeholder die Nichtbenennung seiner Lieferkette akzeptieren würden. Dabei hatte uns der Aurubis-Pressesprecher in einer E-Mail am 03.07.2023 geschrieben: „Aktuelle Reporting-Pflichten sehen keine Veröffentlichungsverpflichtungen von konkreten Minen vor. Dies wurde von allen Stakeholdern akzeptiert.“ Auf der Hauptversammlung widersprach Herr Harings nun dieser Einschätzung und behauptete zudem, Aurubis habe diese Einschätzung nie getroffen. Nur eine von verschiedenen Widersprüchlichkeiten bei Aurubis.
  • Der Frage, wie es zusammenpasse, dass Herr Vahrenholt Aufsichtsratsvorsitzender eines für die Energiewende essenziell wichtigen Konzerns ist und gleichzeitig gegen die Energiewende und für fossile Energien lobbyiert, wich Aurubis in seiner Antwort aus. Aurubis antwortete lediglich, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Vahrenholt und der Vorstandsvorsitzende Harings dem Satz, dass Kupfer das Metall der Energiewende ist, beide zustimmen würden. Die Frage, wie das Engagement von Vahrenholt als Leugner des menschengemachten Klimawandels und Gegner erneuerbarer Energien zusammenpasst mit seiner Rolle bei Aurubis, einem für die Energiewende extrem wichtigen Konzerns, blieb offen.
  • Fragen nach bestimmten Kupferminen wurden stets abgewiesen, da Aurubis aus Wettbewerbs- und Vertragsgründen angeblich keine Angaben zu Lieferbeziehungen machen könne.
  • In der Vergangenheit hatte Aurubis stark lobbyiert gegen das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG). Hauptargument: Ein nationales Lieferkettengesetz bringt Wettbewerbsnachteile mit sich. Stattdessen brauche es ein level playing field, also gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle. Das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) würde so ein level playing field schaffen für alle Firmen, die in der EU Geschäfte machen. Trotzdem stellte sich der Vorstandsvorsitzende Harings auf der Hauptversammlung gegen die CSDDD und kritisierte das Gesetzesvorhaben scharf. Daraufhin wurde Aurubis gefragt, ob Aurubis denn dann das UN-Vorhaben einer globalen Lieferkettenregelung unterstütze, da das ja ein level playing field für alle Firmen weltweit schaffen würde. Doch Aurubis antwortete, auch die UN bei keiner Lieferkettenregelung zu unterstützen.
  • Zudem behauptete Harings, dass das seit Anfang 2023 geltende LkSG großen bürokratischen Aufwand und Zusatzkosten verursacht habe, und die CSDDD dies noch schlimmer machen würde. Auf Nachfrage von Aktionärsseite konnte Harings allerdings weder Kosten noch Zeitaufwand, die durch das LkSG entstanden seien, beziffern. Es bleibt der Eindruck, dass die Argumente von Aurubis gegen LkSG und CSDDD lediglich vorgeschoben sind und es Aurubis lediglich darum geht, keine Verantwortung für Umwelt und Menschenrechte in seiner Lieferkette zu übernehmen.

 

Da die Hauptversammlung nicht öffentlich war und nicht aufgezeichnet wurde, beruhen die Rede und die Antworten von Aurubis auf eigenen Mitschriften.

Weitere kritische Reden aus der Zivilgesellschaft finden sich hier.

Auch die DWS, das Fondshaus der Deutschen Bank, hat in ihrer Rede unsere Argumentation, dass die Lieferketten von Aurubis Risiken für die Aktionäre darstellen, sowie unsere Forderung nach mehr Lieferkettentransparenz übernommen. Zudem hat die DWS kritische Fragen gestellt zu Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen bei lateinamerikanischen Zulieferern von Aurubis.

Hier finden sich die Abstimmungsergebnisse auf der Hauptversammlung.

In seiner Pressemitteilung zur Hauptversammlung berichtet Aurubis stolz von den geplanten Wachstumsprojekten, den Investitionen in Effizienzsteigerung und der Dividendenausschüttung. Die Themen, die auf der Hauptversammlung von den Aktionären am Meisten diskutiert wurden (Metalldiebstähle, Arbeitsunfälle, Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Konzernchaos, Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen bei Lieferanten, Intransparenz in der Lieferkette, mangelnde Informationspolitik gegenüber Aktionären, etc) erwähnt Aurubis in seiner Pressemitteilung nicht.

 

NGOs, die gemeinsam die Pressemitteilung im Vorfeld der Aurubis-Hauptversammlung veröffentlicht haben: