Rede und Antworten auf der Commerzbank Hauptversammlung 2024

02 Mai 2024

Rede von Luca Schiewe, Facing Finance e.V., auf der Commerzbank Hauptversammlung 2024:

Sehr geehrter Aufsichtsratsvorsitzender Herr Weidmann, sehr geehrter Vorstandsvorsitzender Herr Knof, sehr geehrte Aktionäre,

Vielen Dank an alle Kleinaktionäre, die dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre ihre Stimmrechte übertragen haben. Vielen Dank an den Dachverband, dass ich für Facing Finance hier sprechen kann.

Ich spreche zu Tagesordnungspunkt 3 und dem Gegenantrag des Dachverbands gegen die Entlastung der Mitglieder des Vorstands. Denn die Commerzbank spielt als Finanzierer der deutschen Wirtschaft eine entscheidende Rolle bei der nachhaltigen Transformation. Leider wird der Vorstand dieser Verantwortung bislang noch nicht gerecht. Immer wieder bieten sich Chancen für den Vorstand, einen großen Schritt nach vorne zu machen, aber dann fehlt letztlich leider oft der Mut dazu. Das hat sich bei den letzten Updates der Richtlinien für Entwaldung, Petrochemie, Rüstung, Menschenrechte, Öl und Gas gezeigt.

Zu Entwaldung: Im Januar 2024 hat die Commerzbank relevante Risikosektoren (Holz, Papier, Rindfleisch, Soja) neu in die Entwaldungsrichtlinie aufgenommen, was einen Fortschritt darstellt, da die Richtlinie bis dahin aus einem einzigen Kriterium bestand, nämlich der Mitgliedschaft beim Roundtable on Sustainable Palmoil. Somit ist die neue Richtlinie eine signifikante Verbesserung.

Aber leider gilt die Entwaldungsrichtlinie größtenteils nur für Neukunden, nur für bestimmte Regionen und nicht für die Lieferkette einer finanzierten Firma. Hier wurde eine große Chance verpasst. Denn wie von Herrn Massa ausgeführt, sind Bestandskunden der Commerzbank wie z.B. Cargill für verheerende Abholzung in Südamerika verantwortlich. Da diese als Bestandskunden nicht unter die neue Entwaldungsrichtlinie fallen, wird die Commerzbank auch künftig mit Abholzung in Südamerika und Asien in Verbindung stehen.

Es ist positiv, dass die Commerzbank zur Einteilung von Hochrisikogebieten die Datenbasis von Global Canopy nutzt. Doch leider beziehen sich nur manche Kriterien auf Hochrisikogebiete, während die Kriterien zu Rindfleisch und Soja ausdrücklich nur für das Amazonasbecken gelten. Doch viele brasilianische Rindfleisch- und Sojaproduzenten holzen aktuell die Cerrado-Savanne ab und werden nicht von der Richtlinie erfasst, da die entsprechenden Kriterien nur für das Amazonasbecken gelten.

Wenn die Commerzbank die Richtlinie ausweiten würde auch auf Bestandskunden, auch auf andere Risikogebiete und auch auf die Lieferketten ihrer finanzierten Unternehmen, dann könnte das Entwaldungsrisiko minimiert werden.

Warum hat die Commerzbank entschieden, die neue Entwaldungsrichtlinie nur auf Neukunden zu beziehen?

Warum hat die Commerzbank entschieden, die Kriterien zu Rindfleisch und Soja nur für das Amazonasbecken einzuführen?

Zu Petrochemie: Die Welt ertrinkt in Einwegplastik. Die Commerzbank finanziert Unternehmen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette von Einwegplastik, obwohl dieses angesichts der negativen öffentlichen Wahrnehmung und neuer Rechtsvorschriften in vielen Ländern immer risikobehafteter wird und die Finanzierung neuer Anlagen zur Herstellung von Einwegplastik zu stranded assets werden könnte. Daher ist Plastik auch ein finanzielles Risiko für die Aktionäre.

Doch leider hat die Commerzbank keine wirkliche Plastik-Richtlinie. Im ESG Rahmenwerk gibt es in der Richtlinie für den Sektor Petrochemie nur ein einziges Kriterium. Ich zitiere: „Geschäftsbeziehungen zu petrochemischen Unternehmen sowie Petrochemie-Projekte werden in der Commerzbank einer differenzierten Einzelfallprüfung unterzogen.“ Da steht einfach nur wir finanzieren Plastik nach Einzelfallentscheidung, ohne irgendwelche Kriterien für den Entscheidungsprozess zu nennen.

Daher bieten wir der Commerzbank hiermit ein paar Kriterien für eine Plastik-Richtlinie an, die sich auf Firmen in relevanten Industrien (Konsumgüter, Einzelhandel, Fossilindustrie, Petrochemie) beziehen: 1. Firmen veröffentlichen transparent ihren Plastik-Fußabdruck. 2. Firmen setzen sich konkrete zeitgebundene Ziele zur Reduzierung von Einwegplastik. 3. Firmen legen offen welchen Anteil fossil-based virgin plastics ausmachen an ihrer Gesamtproduktion oder ihrem Gesamtverbrauch. 4. Firmen implementieren Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, einschließlich absoluter Plastikreduzierung und wiederverwendbarer Verpackung.

Hat die Commerzbank begonnen, eine neue Petrochemie-Richtlinie zu entwickeln, die das Thema Einwegplastik umfasst?

Wenn ja, wird sie den gesamten Plastik-Lebenszyklus – inklusive Rohstoffgewinnung, Rohstoffverarbeitung, Plastikherstellung und Plastiknutzung – berücksichtigen?

Wenn ja, wann dürfen die Aktionäre eine solche Richtlinie erwarten?

Vor genau 11 Tagen haben 160 Finanzinstitute einen Aufruf veröffentlicht für einen internationalen Vertrag zur Beendigung der Plastikverschmutzung. Die Commerzbank ist nicht dabei. Warum?

Zu Rüstung: 2023 hat die Commerzbank ihre Rüstungsrichtlinie aktualisiert. Ich zitiere: „Daher finanzieren wir Rüstungshersteller, die Waffen und Rüstungssysteme für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Verbündeten wie beispielsweise die Europäische Union produzieren.“ Warum geht die Commerzbank hier nicht einen Schritt weiter und sagt, dass sie ausschließlich Rüstungsgeschäfte für europäische Staaten finanziert? Denn leider finanziert die Commerzbank weiterhin Rüstungsfirmen, die nicht nur für die heimische Landesverteidigung produzieren, sondern auch menschenrechtsverletzende Diktaturen und kriegführende Regime beliefern.

Ein Beispiel: Im Dezember 2023, vor gut 4 Monaten, war die Commerzbank als bookrunner an einer Kapitalerhöhung der Rüstungsfirma Hensoldt beteiligt, die dieser 240 Mio Euro eingebracht hat. 2020 hatte die Commerzbank bereits den IPO von Hensoldt unterstützt. Im Januar 2024, vor 3 Monaten, war die Commerzbank an einem Konsortialkredit von 700 Mio Euro für Hensoldt beteiligt. 2022 hat die Commerzbank Hensoldt bereits im Rahmen eines 990 Mio Euro Konsortialkredits finanziert. Und auch 2020 war die Commerzbank an einem Konsortialkredit in gleicher Höhe an Hensoldt beteiligt. Das war ein paar Monate nachdem Hensoldt Artillerieortungsradare nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert hat. Beide Staaten führen im Jemen einen Krieg mit Hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen und können dabei auch auf Hensoldt Artillerieortungsradare zurückgreifen. Hensoldts letzte Kapitalerhöhung mit Hilfe der Commerzbank wurde durchgeführt kurz nachdem Hensoldt neue Radarsysteme für Kriegsschiffe nach Saudi-Arabien exportiert hat. Diese Kriegsschiffe könnten eingesetzt werden für die Seeblockade jemenitischer Häfen durch Saudi-Arabien, die zu Hungersnot im Jemen geführt hat. Sowohl 2022 als auch 2023 hat Hensoldt diese Kriegsschiffradare nach Saudi-Arabien geliefert. Anschliessend gab es durch die Commerzbank Unterstützung bei einer neuen Kapitalerhöhung im Dezember 2023 und einen neuen Konsortialkredit im Januar 2024.

Waren die kontroversen Waffendeals von Hensoldt mit Saudi-Arabien Gegenstand der Gespräche zwischen Hensoldt und der Commerzbank im Vorfeld der Kapitalerhöhung im Dezember 2023 und des Konsortialkredits im Januar 2024?

Wie geht die Commerzbank damit um, dass von ihr finanzierte Rüstungsfirmen auf der einen Seite die Bundeswehr und europäische Partnerarmeen beliefern, aber auf der anderen Seite auch zu Menschenrechtsverletzungen beitragen durch Exporte nach Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien?

Hat die Commerzbank seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ihre Haltung zu bestimmten kommerziellen Rüstungsgeschäften oder zu bestimmten Krisen- und Spannungsgebieten verändert? Hat die Commerzbank seit der russischen Invasion Rüstungsgeschäfte begleitet, die sie vorher ausgeschlossen hätte? Wenn ja, welche?

Die Commerzbank schließt zwar die Finanzierung bestimmter völkerrechtlich geächteter Waffen wie Chemiewaffen, biologische Waffen oder Streubomben aus, aber nicht Atomwaffen. Gibt es Planungen, Unternehmenskredite an Atomwaffenhersteller auszuschließen?

Viele Finanzinstitute schließen völkerrechtlich geächtete Waffen generell auch für die Eigenanlagen und die Vermögensverwaltung aus. Plant die Commerzbank einen Ausschluss völkerrechtlich geächteter Waffen auch bei ihren Eigenanlagen und der Vermögensverwaltung?

Beim Update der Rüstungsrichtlinie letztes Jahr wurden begrüßenswerterweise autonome Waffensysteme in das ESG-Rahmenwerk integriert. Leider wurde dabei die Chance verpasst, Ausschlüsse festzulegen für Firmen, die an der Entwicklung autonomer Waffensysteme beteiligt sind. Lediglich die direkte Finanzierung autonomer Waffensysteme wurde ausgeschlossen, aber nicht die Finanzierung von Rüstungsfirmen, die unter anderem auch autonome Waffensysteme produzieren. Gibt es Pläne, Firmen, die autonome Waffen entwickeln oder herstellen, auszuschließen?

Zu Menschenrechten: Die Menschenrechtsrichtlinien der Commerzbank weisen eine Lücke auf, wenn es um die Rechte lokaler Gemeinden geht, deren Territorien durch Unternehmensprojekte beeinträchtigt werden. Viele andere Banken erwarten von Unternehmen, die sie finanzieren, dass sie die freie, vorherige und informierte Einwilligung (FPIC) der betroffenen Bevölkerungen einholen. Plant die Commerzbank eine Änderung ihrer Richtlinien, sodass es für finanzierte Firmen verpflichtend wird, die freie vorherige und informierte Einwilligung (FPIC) der betroffenen Bevölkerungen einzuholen? Falls ja, wann können die Aktionäre damit rechnen?

Zu Öl und Gas: Die Commerzbank hat bereits eine Richtlinie zur Finanzierung von Kohlefirmen, die ab 2025 im Einklang mit internationalen Klimaschutzzielen sein wird. Die Öl- und Gasrichtlinie dahingegen weist riesige Lücken auf. So können Bestandskunden weiterhin fossil expandieren, obwohl fossile Expansion unvereinbar ist mit dem Net-Zero Szenario der Internationalen Energieagentur.

Gibt es Bestrebungen, die Lücken der Öl- und Gasrichtlinie zu schließen, um diese Paris-kompatibel zu machen, so wie bei der Kohlerichtlinie geschehen?

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

 

Fragen und Antworten der Commerzbank:

Warum hat die Commerzbank entschieden, die neue Entwaldungsrichtlinie nur auf Neukunden zu beziehen? Bestandskunden müssen die Richtlinie ab Ende des Jahres 2025 auch erfüllen.

Warum hat die Commerzbank entschieden, die Kriterien zu Rindfleisch und Soja nur für das Amazonasbecken einzuführen? Die Commerzbank will den Fokus auf die Region mit dem höchsten Entwaldungsrisiko legen.

Hat die Commerzbank begonnen, eine neue Petrochemie-Richtlinie zu entwickeln, die das Thema Einwegplastik umfasst? Wenn ja, wird sie den gesamten Plastik-Lebenszyklus – inklusive Rohstoffgewinnung, Rohstoffverarbeitung, Plastikherstellung und Plastiknutzung – berücksichtigen? Wenn ja, wann dürfen die Aktionäre eine solche Richtlinie erwarten? Die Commerzbank entwickelt ihre Richtlinien regelmäßig weiter.

Vor genau 11 Tagen haben 160 Finanzinstitute einen Aufruf veröffentlicht für einen internationalen Vertrag zur Beendigung der Plastikverschmutzung. Die Commerzbank ist nicht dabei. Warum? Die Commerzbank ist bereits in zahlreichen Selbstverpflichtungen und Initiativen engagiert.

Waren die kontroversen Waffendeals von Hensoldt mit Saudi-Arabien Gegenstand der Gespräche zwischen Hensoldt und der Commerzbank im Vorfeld der Kapitalerhöhung im Dezember 2023 und des Konsortialkredits im Januar 2024? Die Commerzbank macht keine Stellungnahmen zu einzelnen Kundenbeziehungen.

Wie geht die Commerzbank damit um, dass von ihr finanzierte Rüstungsfirmen auf der einen Seite die Bundeswehr und europäische Partnerarmeen beliefern, aber auf der anderen Seite auch zu Menschenrechtsverletzungen beitragen durch Exporte nach Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien? Die Commerzbank beantwortete unsere Frage nicht richtig, da sie sich nur auf die Begleitung von Rüstungsgeschäften (z.B. Exportfinanzierung) bezog und nicht auf generelle Unternehmenskredite an Rüstungsfirmen, die sowohl die Bundeswehr als auch menschenrechtsverletzende Diktaturen beliefern.

Hat die Commerzbank seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ihre Haltung zu bestimmten kommerziellen Rüstungsgeschäften oder zu bestimmten Krisen- und Spannungsgebieten verändert? Hat die Commerzbank seit der russischen Invasion Rüstungsgeschäfte begleitet, die sie vorher ausgeschlossen hätte? Wenn ja, welche? Die Commerzbank äußert sich nicht zu konkreten Geschäften.

Gibt es Planungen, Unternehmenskredite an Atomwaffenhersteller auszuschließen? Die Commerzbank will Atomwaffenhersteller nicht ausschließen und weiterhin Firmen finanzieren, die an NATO-Atomwaffenprogrammen beteiligt sind.

Plant die Commerzbank einen Ausschluss völkerrechtlich geächteter Waffen auch bei ihren Eigenanlagen und der Vermögensverwaltung? Die Commerzbank antwortete, dass sie völkerrechtlich geächtete Waffen bereits für Eigenanlagen und Vermögensverwaltung ausschließen würden. Diese Antwort überrascht, da das aktuelle ESG-Rahmenwerk der Commerzbank lediglich die Finanzierung der meisten völkerrechtlich geächteten Waffen (Ausnahme: Atomwaffen) ausschließt, aber nicht Eigenanlagen und Vermögensverwaltung. Es gibt zwei mögliche Erklärungen: Entweder die Commerzbank schließt tatsächlich Investments in völkerrechtlich geächtete Waffen aus, ohne das im ESG-Rahmenwerk zu erwähnen. Oder es gibt einen Dissens darüber, was völkerrechtlich geächtete Waffen konkret sind, und die Commerzbank investiert in Hersteller kontroverser Waffen, die angeblich nicht völkerrechtlich geächtet seien. Wir versuchen, diesen Punkt zeitnah aufzuklären.

Gibt es Pläne, Firmen, die autonome Waffen entwickeln oder herstellen, auszuschließen? Hersteller vollautonomer Waffen werden kritischen Einzelfallprüfungen unterzogen.

Plant die Commerzbank eine Änderung ihrer Richtlinien, sodass es für finanzierte Firmen verpflichtend wird, die freie vorherige und informierte Einwilligung (FPIC) der betroffenen Bevölkerungen einzuholen? Falls ja, wann können die Aktionäre damit rechnen? Für die Commerzbank ist die Achtung der Menschenrechte generell von großer Bedeutung. Eine Antwort auf die konkrete Frage nach FPIC wurde nicht gegeben.

Gibt es Bestrebungen, die Lücken der Öl- und Gasrichtlinie zu schließen, um diese Paris-kompatibel zu machen, so wie bei der Kohlerichtlinie geschehen? Die Richtlinie wird regelmäßig geprüft und gegebenenfalls angepasst.

 

Die Antworten beruhen auf unseren Mitschriften während der Hauptversammlung und sind nicht wörtlich, sondern von uns zusammengefasst worden.

Unser Antrag, Rückfragen zu stellen zu zwei Antworten der Commerzbank, die noch klärungsbedürftig waren, wurde leider ignoriert, da die Rednerliste frühzeitig geschlossen wurde.

 

Unsere Pressemitteilung zur Hauptversammlung.

Die Rede und Fragen des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.