Am 8. August 2025 trafen sich die Aktionäre des Konzerns Thyssenkrupp zu einer außerordentlichen Hauptversammlung. Dabei wurde darüber diskutiert und entschieden, ob Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) – die Marine- und Rüstungssparte von Thyssenkrupp – vom Konzern abgespalten und selbst an der Börse gelistet werden soll. Allerdings sieht der Plan des Vorstands vor, dass Thyssenkrupp auch nach der Abspaltung weiterhin die Aktienmehrheit (51%) an TKMS halten soll. Wir haben diese halbe, unvollendete Abspaltung in einer Rede kritisiert und einige Fragen an den Konzern gestellt.
Unsere Rede:
Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender Lopez, sehr geehrter Aufsichtsratsvorsitzender Russwurm, sehr geehrtes Aktionariat,
Mein Name ist Luca Schiewe und ich vertrete heute alle Aktionäre, die ihre Aktien an den Dachverband der Kritischen Aktionäre übertragen haben. Der Dachverband der Kritischen Aktionäre unterstützt den Spin-Off von TKMS. Wir sind der Meinung, dass eine Aufteilung es den Investoren erlaubt, zielgenauer in die Geschäftsbereiche zu investieren, in die sie investieren wollen. Allerdings sehen wir den Plan kritisch, wonach Thyssenkrupp weiterhin eine Mehrheit der Aktien der abgespaltenen TKMS halten soll. Aus unserer Sicht wäre es besser, wenn TKMS eine eigenständige börsengelistete Firma würde und Thyssenkrupp keine Aktienmehrheit mehr an TKMS halten würde.
Es gibt Gründe für Investoren, gezielt in TKMS investieren zu wollen. Vor allem die gute Auftragslage von TKMS in der derzeitigen geopolitischen Lage.
Es gibt auch Gründe für Investoren, nicht in TKMS investieren zu wollen, insbesondere rechtliche Risiken. TKMS verstößt möglicherweise gegen den Atomwaffensperrvertrag NPT, indem es U-Boote, die Nuklearwaffen tragen könnten, an Israel verkauft obwohl Israel nicht Teil des Atomwaffensperrvertrags ist. Dieser U-Boot Deal 2016 war auch mit Korruptionszahlungen verbunden, mehrere enge Vertraute des israelischen Präsidenten Benjamin Netanyahu haben Schmiergeldzahlungen erhalten, u.a. Avriel Bar-Yosef, David Shimron, David Sharan, Eliezer Sandberg, Rami Taib, Yitzhak Molho.
Zudem exportiert TKMS Rüstungsgüter in völkerrechtswidrige Kriege weltweit. So hat TKMS in den letzten Jahren U-Boote in die Türkei geliefert. Obwohl die Türkei in völkerrechtswidrige Kriege in Nordsyrien, Libyen und Bergkarabach involviert ist.
TKMS hat auch immer wieder U-Boote, Fregatten und Torpedos nach Ägypten geliefert. Obwohl Ägypten seit 2016 gemeinsam mit Saudi-Arabien die Häfen im Jemen blockiert hat und damit mitverantwortlich ist für eine Hungersnot im Jemen, die Hunderttausende Zivilisten getötet hat. Als TKMS 2019 den Fregatten-Deal mit Ägypten unterzeichnet hat, wusste TKMS also, dass die Gefahr besteht, dass Ägypten diese Fregatten für eine völkerrechtswidrige Seeblockade im Jemen nutzen könnte.
Das Gleiche wiederholt sich aktuell in Gaza. Kriegsschiffe von TKMS wurden nachweislich verwendet, um Gaza zu beschießen. Selbst nachdem Kriegsverbrechen der israelischen Armee in Gaza bekannt wurden und von UN-Institutionen sowie Völkerrechtlern weltweit kritisiert wurden, hat TKMS die Rüstungsexporte nach Israel fortgesetzt. Trotz zehntausender ermordeter Zivilisten. Trotz der Zerstörung sämtlicher Schulen, Universitäten und Krankenhäuser. Trotz des systematischen Einsatzes von Hunger als Kriegswaffe.
Wegen der Israel-Geschäfte von TKMS hat der Norwegische Pensionsfonds KLP seine ThyssenKrupp Aktien kürzlich abgestoßen. Einige institutionelle Investoren wie KLP haben Investmentrichtlinien gegen Waffenlieferungen an Staaten, die systematisch internationales Recht brechen. Eine Abspaltung von TKMS würde es diesen Investoren erlauben, künftig wieder in Thyssenkrupp zu investieren.
Andere Investoren hingegen, die gezielt in Rüstung investieren wollen, investieren derzeit nicht in Thyssenkrupp weil sie die anderen Geschäftsteile von Thyssenkrupp nicht attraktiv finden. Diese Investoren könnten dann künftig gezielt in TKMS investieren.
So viel zur Investorensicht. Aber auch für Thyssenkrupp selbst bietet ein Spin-Off Vorteile. In den nächsten Jahren stehen für das Kerngeschäft von Thyssenkrupp wie Stahl und Maschinen sehr große Herausforderungen an. Thyssenkrupp könnte das Geld, das durch einen Börsengang von TKMS eingenommen würde, verwenden für nötige Investitionen in die Dekarbonisierung der Stahlproduktion. Zudem könnte sich das Management von Thyssenkrupp dann mit aller Kraft und Aufmerksamkeit auf das Kerngeschäft fokussieren.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und vorab Danke für die Beantwortung der Fragen. Also trotz einiger Bedenken wegen des Behaltens der Aktienmehrheit gibt es grundsätzlich grünes Licht vom Dachverband der Kritischen Aktionäre für eine Abspaltung von TKMS.
Unsere Fragen und die Antworten des Vorstands von Thyssenkrupp:
Frage: Warum hat sich der Vorstand gegen eine vollständige Abspaltung von TKMS entschieden und wählt stattdessen eine Minderheitsabspaltung? Warum hat sich der Vorstand gegen einen vollständigen Verkauf von TKMS an einen externen Käufer entschieden und für einen Börsengang von TKMS?
Antwort: Der Vorstand hat verschiedene Optionen zur Abspaltung eingehend geprüft. Nach umfassender Abwägung der Vor- und Nachteile der Optionen hat der Vorstand entschieden, dass ein Spin-Off die beste Option für alle Stakeholder ist. Vor allem weil ein eigenständiger IPO oder ein vollständiger Verkauf via M&A stärker vom aktuellen Kapitalmarktfeld abhängig ist. Zudem ist Thyssenkrupp vom Potenzial des Marinegeschäfts von TKMS überzeugt und will weiterhin von diesem Geschäft profitieren.
Frage: Was sind die mittelfristigen Pläne zur Beziehung zwischen der thyssenkrupp AG und TKMS? Haben wir Herrn Lopez in seiner Rede richtig verstanden, dass die thyssenkrupp AG als Holding längerfristig eine Mehrheitsbeteiligung an TKMS anstrebt? Oder gibt es Pläne, nach dem Börsengang von TKMS die Aktienmehrheit an TKMS aufzugeben und die Anteile an TKMS nach und nach zu verkaufen?
Antwort: Thyssenkrupp glaubt an die Zukunft des Marinegeschäfts von TKMS und will langfristig am Wachstumspotenzial des Verteidigungssektors partizipieren. Daher hat Thyssenkrupp aktuell keinerlei Pläne, Aktien von TKMS zu verkaufen und will weiterhin Mehrheitseigner von TKMS bleiben. Selbst wenn Thyssenkrupp in der Zukunft Aktien von TKMS veräußern sollte und dann nicht mehr Mehrheitseigner von TKMS wäre, will Thyssenkrupp trotzdem weiterhin stabiler Ankeraktionär bei TKMS bleiben.
Frage: Wie sollen die finanziellen Mittel aus einem möglichen Börsengang von TKMS konkret verwendet werden? Will die thyssenkrupp AG die Mittel verwenden um in das Kerngeschäft mit Stahl, Maschinen etc zu investieren? Oder will die thyssenkrupp AG trotz angespannter Finanzlage und der Entlassung tausender Mitarbeiter eine Sonderdividende an Aktionäre ausschütten? Oder sollen Mittel aus dem Spin-Off für Boni an Manager der thyssenkrupp AG verwendet werden?
Antwort: Die Thyssenkrupp AG erhält keine direkten finanziellen Mittel durch den Spin-Off. Stattdessen werden die Aktien von TKMS den bisherigen Aktionären der Thyssenkrupp AG direkt in das Depot gebucht im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Thyssenkrupp AG.
Frage: Inwiefern wird die thyssenkrupp AG nach der Abspaltung von TKMS weiterhin Einfluss auf die Geschäftspolitik von TKMS nehmen als Mehrheitseigner? Wird TKMS ein wichtiger Abnehmer von Stahl der thyssenkrupp AG bleiben? Wird die thyssenkrupp AG als Mehrheitseigner von TKMS sich dafür einsetzen, dass TKMS keine weiteren Rüstungslieferungen in völkerrechtswidrige Kriege unternimmt?
Antwort: In Folge der Abspaltung wird TKMS rechtlich verselbstständigt und eigenständig geführt. Mit der neuen Kommanditrechtsstruktur wird eine weitreichende unternehmerische Eigenständigkeit ermöglicht. Als Mehrheitseigner von TKMS wird Thyssenkrupp dem IFRS Rechnungsstandard folgen. TKMS folgt bei jedem einzelnen Export streng den Gesetzen der Bundesrepublik und der außenpolitischen Position der Bundesregierung. Dementsprechend liegen für alle Aufträge von TKMS positive Bescheide der Behörden vor. Thyssenkrupp wird als Mehrheitseigner von TKMS dafür sorgen, dass TKMS weiterhin diesem Vorgehen bei Exporten folgen wird. TKMS bezieht keinen Stahl von Thyssenkrupp, sondern benötigt anderen speziellen Stahl.
Frage: Welche finanziellen und rechtlichen Risiken bestehen für die thyssenkrupp AG nach der Abspaltung von TKMS im Hinblick auf Haftungen aus bestehenden Verträgen und Exportgeschäften?
Antwort: Thyssenkrupp und TKMS übernehmen jeweils Haftung für die Verbindlichkeiten, Risiken und Verpflichtungen, die ihrem Teilgeschäft zugeordnet werden können. Somit haftet TKMS primär für laufende und frühere Marineprojekte. Es sei denn Thyssenkrupp hat Haftungsübernahmeerklärungen für bestimmte Projekte abgegeben. Dann gelten diese nach dem Spin-Off weiter. Wenn eine Verbindlichkeit keinem Teilgeschäft zugeordnet werden kann, dann übernehmen Thyssenkrupp und TKMS jeweils 50% der Haftung.
Frage: Ist die thyssenkrupp AG darauf vorbereitet, dass vor nationalen oder internationalen Gerichten Verfahren eingeleitet werden könnten gegen TKMS und thyssenkrupp AG wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen der israelischen Armee?
Antwort: TKMS folgt bei jedem Export streng der außenpolitischen Position der Bundesregierung. Thyssenkrupp sieht daher keine Grundlage für die angesprochenen potenziellen Verfahren.
Frage: Warum verzögert sich die Auslieferung des U-Boots INS Drakon nach Israel? Der Bundessicherheitsrat genehmigte die Ausfuhr im Dezember 2023, aber es fehlte noch die BAFA Ausfuhrlizenz. Liegt die BAFA Ausfuhrlizenz jetzt vor?
Antwort: Die Leistungserbringung befindet sich im Zeitplan, der mit dem Kunden vereinbart wurde. Eine Ausfuhrlizenz liegt vor.
Frage: Ist das U-Boot INS Drakon bereits bezahlt worden?
Antwort: Aufgrund vertraglicher Geheimhaltungspflichten kann Thyssenkrupp keine Aussagen zu Zahlungen im Rahmen des Israel-Geschäfts tätigen.
Frage: Hat TKMS in den Jahren 2024/2025 Leistungen erbracht oder Komponenten geliefert für die bereits an Israel gelieferten Schiffe, unter anderem die Saar 6 Korvetten? Wenn ja, in welchem Unfang genau?
Antwort: Im Rahmen des Saar 6 Programms wurden Komponenten geliefert. Zum genauen Umfang und weiteren Details kann Thyssenkrupp aus vertraglichen Gründen keine Angaben machen.
Frage: Liegen momentan weitere Aufträge aus Israel bei TKMS vor? Wie hoch schätzt die thyssenkrupp AG die Gefahr ein, dass sich aus den Lieferungen von TKMS nach Israel auch nach der Abspaltung von TKMS noch rechtliche Folgen für die thyssenkrupp AG ergeben?
Antwort: Beim Kundenland Israel gilt wie bei allen Kundenländern, dass Thyssenkrupp keine Auskünfte zu einzelnen Exportgeschäften geben kann.
Frage: Sollen neue spezifische Compliance-Maßnahmen für Rüstungsexporte nach der Abspaltung eingeführt werden oder bisherige Maßnahmen entfallen? Oder sollen die bisherigen Compliance-Maßnahmen nach der Abspaltung bei TKMS weitergelten?
Antwort: Die Lieferungen erfolgen unter strikter Einhaltung der geltenden Exportkontrollverfahren Deutschlands. Thyssenkrupp hat sein konzernweites Compliance-Verfahren, dem TKMS unterliegt, 2024 von einer angesehenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüfen lassen.
*Die Antworten von Thyssenkrupp sind nicht wortwörtlich, sondern beruhen auf unseren Mitschriften während der Hauptversammlung.