Exodus der US-Banken aus der Klimainitiative NZBA: Wie Klimaschutz für Banken an Relevanz verliert

16 Januar 2025

Bevor die zweite Amtszeit von Donald Trump am 20. Januar offiziell beginnt, haben die sechs größten US-Kreditinstitute die Net-Zero Banking Alliance (NZBA) verlassen. Seit Dezember sind Goldman Sachs, Wells Fargo, Citigroup (eines der Gründungsmitglieder), Bank of America und Morgan Stanley, sowie J.P. Morgan aus der Allianz ausgetreten.

 

Was ist die NZBA?

Die Net Zero Banking Alliance (NZBA) wurde von den Vereinten Nationen (UN) initiiert, um Banken zusammenzubringen, die ihre Finanzierung mit dem globalen Klimaschutz in Einklang bringen wollen. Im April 2021 gestartet, bietet sie Mitgliedern ein Rahmenwerk, um wissenschaftsbasierte Klimaziele zu erreichen und hat den Anspruch dadurch Mehrwert für Investoren und Kunden zu schaffen.

Alle Mitglieder der NZBA verpflichten sich, ihre Finanzportfolios bis spätestens 2050 an Netto-Null-Emissionen auszurichten. Innerhalb von 18 Monaten nach Beitritt müssen sie Ziele für 2030 sowie bis 2050 festlegen, wobei der Fokus zunächst auf den emissionsintensivsten Sektoren liegt. Dazu müssen die Mitglieder jährlich Emissionsdaten und Fortschrittsberichte veröffentlichen.

 

Die NZBA unter Kritik

In den letzten Jahren hat die NZBA jedoch keine wirklichen Verbesserungen in der Klimabilanz der Banken geliefert. Mit ihrer Mitgliedsschaft haben die Banken lediglich ein Lippenbekenntnis zur Dekarbonisierung ihrer Kreditportfolios gegeben. In der Praxis aber haben sie ihre finanzierten Emissionen nicht gesenkt. Das zeigen die laufenden Untersuchungen des Anthropocene Fixed Income Institute (AFII) zu Syndizierungsgebühren[1], die aus fossilen Brennstoff-Finanzierungen generiert werden.

Wie wir in der „Highway zur Klimahölle Studie erklären, könnte die Entscheidung der NZBA beizutreten aus Risikomanagementgründen erfolgen, um das Image zu stärken oder die Kapitalkosten der Bank zu reduzieren. Banken, die der NZBA beigetreten sind, verzeichneten häufig eine Verbesserung ihres ESG-Ratings, wodurch große Banken sowohl reputationsbezogene als auch finanzielle Vorteile erzielen. Dieses Vorgehen zieht jedoch schnell Kritik in Form von Greenwashing- oder Bluewashing-Vorwürfen im UN-Rahmen nach sich.

Nachdem aus dem ersten Progress-Report der NZBA in 2022 hervorgegangen war, dass die Ziele, die sich die Banken gesetzt hatten nicht ambitioniert genug waren, hat die NZBA verkündet ihre Richtlinien zu überarbeiten. Vor allem von europäischen Mitgliedsbanken wurden strengere Anforderungen gefordert, während sich die politische Stimmung in den USA in die entgegengesetzte Richtung veränderte.

Im Frühling 2024 wurden die aktualisierten NZBA-Richtlinien veröffentlicht, die von da an auch Kapitalmarkttransaktionen betrafen, um versteckte Finanzierungsmöglichkeiten für fossile Brennstoffe auszuschließen. Darauf folgten gemischte Reaktionen von NGOs und einigen Mitgliedsbanken: Lob für die Ausweitung des Regelwerks und Kritik daran, dass die Einführung für Mitglieder nicht bindend gemacht wurde.

 

Wieso haben Citigroup, Bank of America, Morgan Stanley & Co die NZBA jetzt verlassen?

Die Banken geben kaum konkrete Gründe für ihren Austritt aus der NZBA an. Stattdessen betont unter anderem die Citigroup, ihre Kunden weiterhin beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft unterstützen zu wollen.

Experten verweisen jedoch auf das politische Klima in den USA. Schon eine Weile monieren republikanische Politiker:innen, dass eine Mitgliedschaft bei der NZBA möglicherweise gegen kartellrechtliche Bestimmungen verstoßen könnte, besonders, wenn sie zu einer reduzierten Finanzierung von Unternehmen führt, die fossile Brennstoffe nutzen. Nach dem Wahlsieg Trumps steigt nun kurz vor der Inauguration der Druck auf die amerikanischen Banken.

 

Ein Muster hinter den Ausstiegen?

Doch auch ein anderes Motiv scheint in die Entscheidungen mit hineinzuspielen. Eine aktuelle Analyse des AFII zeigt: Größere Banken mit hoher Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen haben eher die NZBA verlassen. Bisher sind keine mittelgroße Banken mit ähnlicher Abhängigkeit ausgetreten; stattdessen sind diese der NZBA eher gar nicht erst beigetreten.

Da die sechs ausgetretenen Banken mehr mit fossilen Brennstoffen als mit grüner Energie verdienen, liegt die Überlegung nahe, dass sie Mitglieder der NZBA waren, solange es politisch opportun war. Nachdem sich zunehmend der politische Wind gedreht hat, haben sie diesen Backlash genutzt, um aus der Allianz auszutreten, deren Anforderungen sie nie ernsthaft implementieren wollten.

Zudem lassen sich die Austritte in einen Trend der sinkenden Relevanz von Klimaschutzallianzen in der Finanzbranche einordnen. Nachdem Blackrock, der größte Vermögensverwalter weltweit, vergangene Woche die freiwillige Net-Zero Asset Managers Initiative verlassen hat, steht das Fortbestehen der Initiative in der Schwebe . Schon im Dezember 2022 hat Vanguard, auch einer der größten Vermögensverwalter, die selbe Initiative verlassen und will unabhängig über wichtige Themen der Investoren sprechen. Dieses Aufbrechen an gemeinschaftlichen Initiativen für den Klimaschutz schwächt die Argumentationskraft und lenkt die Branche wieder in eine andere Richtung.

 

Auch andere UN-Initiativen wie die NZIA stehen unter Druck

Neben der Zurich Insurance Group hat auch die Allianz Versicherung z.B. die Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) verlassen, aber ihre Klimaziele für ihre Geschäftsaktivitäten bekräftigt und plant, ihre Treibhausgasemissionen bis 2025 um 50 % gegenüber 2019 zu reduzieren.

Auch die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) hat jetzt angekündigt sich umstrukturieren zu wollen, um Barrieren für Mitglieder zu senken. GFANZ möchte eine breitere Teilnahme ermöglichen, um sich auf die Mobilisierung von Kapital für die Energiewende zu konzentrieren.

 

NZBA-Austritte in Europa

Doch die US-amerikanischen Banken sind nicht die Ersten, die aus der NZBA ausgetreten sind. Jedoch sind in Europa diese Entscheidungen eher fundiert in Kritik an der Inkonsequenz und Erfolgslosigkeit der Initiative.

Anfang 2023 ist die deutsche GLS Bank aus Protest zu Finanzierungen für fossile Brennstoff-Projekte in Afrika ausgetreten . Auch die Triodos Bank hat im Februar 2023 ein Statement veröffentlicht, das ein Überdenken ihrer Mitgliedschaft verkündete, wenn es keine Verbesserungen bis zur COP28 gäbe. Nach der Überarbeitung der Richtlinien hat die Triodos Bank jedoch entschieden, weiterhin Mitglied zu bleiben.

 

Wer ist noch Mitglied der NZBA?

Derzeit zählt die Allianz 141 Bankenmitglieder in 44 Ländern. Darunter sind auch die zehn größten europäischen Banken, gemessen am Gesamtvermögen: HSBC (GB), BNP Paribas (FR), Crédit Agricole (FR), Banco Santander (ES), Barclays (UK), Société Générale (FR), UBS (CH), Groupe BPCE (FR), Deutsche Bank (DE) und Crédit Mutuel (FR). In Deutschland haben sich zudem die Commerzbank und ProCredit der Initiative verpflichtet. Somit sind vier der Banken, die im FairFinanceGuide bewertet werden, Mitglieder der NZBA[2]. Nur noch drei, eher kleinere Banken aus den USA, sind weiterhin Mitglied[3].

Während in den letzten Wochen die größten amerikanischen Banken die Allianz verlassen haben, wurde am 3. Januar die Bank of East Asia als erste chinesische Bank in NZBA aufgenommen. Ob sich die Allianz also in eine andere geopolitische Richtung entwickelt oder weiter an Relevanz verliert, wird sich zeigen.

 

Die Zukunft der NZBA

Der Klimaschutz verliert im Finanzsektor, insbesondere in den USA, an Bedeutung – ein Trend, der durch die gegenwärtige politische Situation und den ansteigenden Einfluss populistisch agierender Parteien und Regierungen auch weltweit beschleunigt wird. Dadurch steht wieder Profit an erster Stelle und wird durch Trumps Pläne zur Deregulierung des Energiesektors, zum Abbau von Umweltvorschriften und zur Förderung fossiler Energien bestärkt.

Der Rückzug der amerikanischen Großbanken aus der Allianz stellt unabhängig von ihrer Wirksamkeit einen deutlichen Rückschritt dar und zeigt, wie die Wirtschaft Trumps Kurs trägt. Trotzdem sollte der Ausstieg von Banken, die den Klimaschutz nie ernst genommen haben, als Chance genutzt werden, um echte Fortschritte zu erzielen.

Facing Finance fordert deshalb, dass die europäischen Banken, die sich für strengere Richtlinien eingesetzt haben und mittlerweile den Großteil der Mitglieder ausmachen, entschlossen handeln: Sie müssen an Dekarbonisierungszielen festhalten, Geldströme von fossilen zu erneuerbaren Energien umlenken, um die Emissionsminderungsziele konsequent umsetzen. Ob und wie das deutschen Finanzdienstleistern bisher gelungen ist, zeigt auch die neue Studie von Facing Finance „Highway zur Klimahölle.

 

 

[1] das sind Gebühren die eine Bank bekommt, wenn sie z.B. einem Bergbaukonzern hilft eine neue Anleihe am Kapitalmarkt auszugeben.

[2] Deutsche Bank, Commerzbank, Triodos, ING

[3] Amalgamated Bank, Areti Bank, Climate First Bank

 

Autorin: Clara Müller-Sohnius