Jemenkrieg: Schreibe deiner Bank für strengere Richtlinien!

15 November 2023

Schreibe deiner Bank für restriktivere Richtlinien in der Rüstungsbranche!

Schreibe deiner Bank für strengere Rüstungsexport-Richtlinien!



Eine Fallstudie von Ali Jameel aus dem Dirty Profits Bericht 10: Transformation oder Resignation?


Der Konflikt im Jemen begann im September 2014, als die bewaffnete Gruppe Ansar Allah (Huthi) die jemenitische Stadt Sanaa gewaltsam einnahm. Präsident Abdrabbuh Mansur Hadi floh daraufhin ins südlich gelegene Aden und erklärte die Stadt zur provisorischen Hauptstadt des Landes. Nachdem die Gruppe Ansar Allah bis nach Aden vorgedrungen war, floh Präsident Hadi weiter nach Saudi-Arabien.

Am 26. März 2015 startete eine Koalition aus neun Staaten unter Führung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine Militäroffensive zur Unterstützung Präsident Hadis und seiner Regierung gegen die mit Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh verbündeten Ansar-Allah-Einheiten.

Trotz zahlreicher Vermittlungsbemühungen, einschließlich Waffenstillstandsvereinbarungen und Friedensverhandlungen, ist der Jemen seither in einem bewaffneten Konflikt gefangen.

WAFFENLIEFERUNGEN UND MILITÄRHILFE AUS DEM WESTEN

Die Vereinigten Staaten (USA) haben die Militärkoalition mit nachrichtendienstlichen Informationen, logistischer Unterstützung, Training und Luftbetankung versorgt und einen erheblichen Teil der Waffen geliefert (Mwatana for Human Rights 2021). Auch Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Koalition mit Waffen und in einigen Fällen auch mit anderen Formen militärischer Unterstützung aufgerüstet. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die den Einsatz von Waffen aus amerikanischer und britischer Produktion im Jemen-Konflikt dokumentieren, haben wiederholt den Einsatz dieser Waffen unter Verletzung des humanitären Völkerrechts festgestellt (Mwatana for Human Rights 2019; Wearing 2016; AOAV 2018; Amnesty International UK 2015).

DIE FOLGEN DES WAFFENEINSATZES FÜR DIE ZIVILBEVÖLKERUNG

In zahlreichen Berichten lokaler und internationaler Menschenrechtsgruppen, darunter Mwatana for Human Rights, Human Rights Watch, Amnesty International und die von den Vereinten Nationen mandatierte Gruppe hochrangiger Expert*innen (UN Group of Eminent Experten, UN GEE), wird auf schwerwiegende Verletzungen des Völkerrechts und mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführte Koalition bei den Luftangriffen hingewiesen. In vielen Fällen waren von anderen Staaten gelieferte Rüstungsgüter im Einsatz. Ungeachtet einer erdrückenden Beweislage lieferten westliche Länder unbeirrt Waffen an die Militärkoalition und verstießen damit gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT), gegen europäisches Recht und eigene nationale Gesetze.

Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Mitglieder der Koalition haben zur Entstehung einer schweren humanitären Krise im Jemen beigetragen. Rechtswidrige Luftangriffe forderten schwere Verluste unter der Zivilbevölkerung. Schulen und Gesundheitseinrichtungen wurden zerstört. Die Bombardierung von Feldern und Bewässerungssystemen diente als Methode der Kriegsführung zur Aushungerung der Zivilbevölkerung (Mwatana for Human Rights 2020a; Mwatana for Human Rights 2020b).

Berichten zufolge haben die Hochrangige Expertengruppe der Vereinten Nationen für Jemen (GEE), das Expertenpanel der Vereinten Nationen für Jemen (PoE) und zahlreiche internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie Mwatana festgestellt, dass die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Koalition und andere Kriegsparteien im Zusammenhang mit dem Konflikt schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechte begangen haben, darunter Angriffe auf Zivilpersonen und nicht-militärische Infrastruktur.

In ihrem Bericht aus dem Jahr 2020 hielt die GGE fest, dass „Luftangriffe weiterhin von Koalitionskräften ohne angemessene Beachtung der internationalen Rechtsgrundsätze der Unterscheidung, Verhältnismäßigkeit und/oder Vorsicht durchgeführt werden. […] Diese willkürlichen Angriffe töten und verletzen Zivilisten und beschädigen kritische Infrastrukturen wie Gesundheitseinrichtungen“ (HRC 2020). Darüber hinaus haben die von der Koalition gegen den Jemen verhängten Restriktionen wie die Seeblockade und die Schließung des internationalen Flughafens von Sanaa sowie anderer Flughäfen den Zugang zu Hilfslieferungen eingeschränkt. Ebenso hat Ansar Allah negative wirtschaftliche Maßnahmen umgesetzt, darunter die Einbehaltung von Löhnen und Gehältern und die Umleitung von Steuern, um ihre Kriegsanstrengungen zu finanzieren. All diese Maßnahmen treffen die Zivilbevölkerung unverhältnismäßig hart und berauben sie der für ihr Überleben unverzichtbaren Güter. Das Aushungern wird von der GGE als unmenschlich eingestuft, was auf ein Kriegsverbrechen hindeutet.

NACHWEIS WESTLICHER HERSTELLER BEI ANGRIFFEN AUF DIE ZIVILBEVÖLKERUNG, FALLBEISPIEL 1

Am Freitag, den 14. Februar 2020, gegen 23.45 Uhr, warfen Flugzeuge der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführten Koalition eine Reihe von Bomben auf das Dorf Al Saidah im Gouvernement Al Jawf ab. Sie töteten 32 Zivilpersonen, die Mehrheit Kinder und Frauen. Weitere 21 Menschen, darunter zwölf Kinder und sechs Frauen, wurden verletzt. Der Luftangriff zerstörte ein Haus und beschädigte zwei weitere.

Mitarbeitende von Mwatana fotografierten die Überreste der Waffe, die bei dem Angriff verwendet wurde. Nach Angaben eines Waffenexperten handelte es sich bei den Überresten um den Lenkmechanismus einer gelenkten Bombe der Serie GBU-Paveway, die in den USA hergestellt wird. Dieses Modell wird sowohl von Raytheon als auch von Lockheed Martin gefertigt. Möglicherweise besitzen auch andere Länder Lizenzen zur Herstellung einiger Modelle der Paveway-Serie (Mwatana for Human Rights 2020c).

NACHWEIS WESTLICHER HERSTELLER BEI ANGRIFFEN AUF DIE ZIVILBEVÖLKERUNG, FALLBEISPIEL 2

Am Samstag, den 8. Oktober 2016, gegen 3 Uhr morgens, warfen Kampfflugzeuge der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführten Koalition vier Bomben auf ein Wohngebiet im Dorf Dir Al Hajari im Gouvernement Hudaydah ab. Bei dem Angriff wurden sechs Mitglieder einer Familie getötet, darunter eine schwangere Frau und vier Kinder im Alter von bis zu zehn Jahren. Vier Wohnhäuser wurden zerstört. Der von Mwatana beauftragte Waffenexperte stellte anhand fotografischer Beweise von Waffenfragmenten, die am Ort des Angriffs gefunden wurden, fest, dass bei dem Angriff eine in den USA hergestellte GBU-16-Bombe verwendet wurde (Mwatana for Human Rights 2019).

Serienmarkierungen auf den Überresten der Aufhängung, mit der die Bombe am Flugzeug befestigt wurde, deuten darauf hin, dass die Aufhängung von RWM, einer italienischen Tochtergesellschaft des deutschen Unternehmens Rheinmetall, hergestellt wurde.

ANHALTENDE JURISTISCHE AUFARBEITUNG

Im Dezember 2019 haben Mwatana und andere zivilgesellschaftliche Organisationen eine Mitteilung nach Artikel 15 beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht. Sie forderten das Büro des Anklägers auf, Vorwürfe zu untersuchen, wonach Führungskräfte der Rüstungsfirmen Airbus Defence and Space S.A. (Spanien), Airbus Defence and Space GmbH (Deutschland), BAE Systems Plc (Großbritannien), Dassault Aviation S.A. (Frankreich), Leonardo S.p.A. (Italien), MBDA UK Ltd (Großbritannien), MBDA France S.A.S. (Frankreich), Raytheon Systems Ltd. (Großbritannien), Rheinmetall AG (Deutschland) über ihre Tochtergesellschaft RWM Italia S.p.A. (Italien) und Thales (Frankreich) sowie weitere wirtschaftliche und politische Akteure Kriegsverbrechen begangen haben sollen, indem sie die Genehmigung und den Export von Rüstungsgütern an Mitglieder der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführten Koalition autorisierten (Amnesty International UK 2019; ECCHR et al. 2020).

Im Jahr 2018 erstattete Mwatana gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen Strafanzeige bei der italienischen Staatsanwaltschaft gegen Führungskräfte des italienischen Rüstungsunternehmens RWM Italia, eine Tochter der deutschen Rheinmetall AG, und italienische Regierungsbeamte. Hintergrund der Anzeige sind Rüstungsexporte an Saudi-Arabien und andere Mitglieder der Koalition, die gegen EU-Recht und den Waffenhandelsvertrag ATT verstoßen (ECCHR 2023).

Im Juni 2019 entschied das britische Berufungsgericht auf Antrag der Kampagne gegen Waffenhandel (Campaign Against Arms Trade, CAAT), dass das Versäumnis der britischen Regierung zur Durchführung einer Sorgfaltsprüfung für Waffenexporte nach Saudi-Arabien rechtswidrig war (CAAT 2021). Nachdem die Regierung behauptet hatte, die Anordnung des Gerichts umgesetzt zu haben, kündigte sie im Juli 2020 die Wiederaufnahme von Waffenverkäufen an Saudi-Arabien an. Doch schon im darauffolgenden Jahr wurde dem Antrag von CAAT auf gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung stattgegeben (Sabbagh 2021). Mwatana reichte eine Zeugenaussage von Radhya Al Mutawakel, Mitbegründerin und Vorsitzende von Mwatana, zusammen mit detaillierten Vor-Ort-Untersuchungen mehrerer Luftangriffe ein, die eindeutig ein Muster von Verstößen gegen internationales Recht durch die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Koalition im Jemen aufzeigten (Mwatana for Human Rights 2022).

Im Juni 2022 reichte Mwatana zusammen mit weiteren Menschenrechtsorganisationen eine Klage gegen drei französische Rüstungshersteller ein, um deren mögliche Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuklären. Tatsächlich setzten Dassault Aviation, MBDA France und Thales Group ihre Waffenlieferungen und Wartungsdienstleistungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate fort, obwohl sie von den Verbrechen der Koalition wussten.

EMPFEHLUNGEN

Sowohl Unternehmen als auch Regierungsbeamte, die an Rüstungstransfers dieser Art mitwirken, laufen Gefahr, wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen im Jemen angeklagt zu werden. Die Entwicklung umfassender Exportkontrollregime zur Einhaltung der Bestimmungen des internationalen Vertrags über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) ist daher für alle Regierungen der Welt zwingend erforderlich. Staaten und Waffenproduzenten müssen robuste Mechanismen zur Überprüfung der Endempfänger von Waffenexporten anwenden und alle Exporte in Länder einstellen, die an Verletzungen des humanitären Völkerrechts beteiligt sind, einschließlich der Länder, die in den Krieg im Jemen involviert sind.

Banken und Finanzinvestoren müssen jene Länder identifizieren, in denen ein übermäßiges Risiko besteht, dass Waffen unter Verletzung der Menschenrechte und internationaler Menschenrechtsnormen eingesetzt werden. Im Fall des Jemen sind dies die Länder der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführten Koalition. Finanzinstitutionen müssen Unternehmen, die in diese Hochrisikoländer exportieren, verstärkt überwachen und von Finanztransaktionen ausschließen, um nicht zu Komplizen dieser Verbrechen werden.

-Ali Jameel


Ali Jameel arbeitet für die jemenitische Menschenrechtsorganisation Mwatana for Human Rights. Sie dokumentieren akribisch die Folgen des Krieges im Jemen und untersuchen nach Angriffen auch die Überreste der eingesetzten Waffen.

Foto: Eltern, Geschwister und der Onkel getötet. Ein Mädchen überlebt einen Angriff der saudi-arabischen Koalition auf ein Wohnhaus in Sanaa. Aida Faillace / Wikimedia (2017).


Der vollständige Dirty Profits 10: Transformation oder Resignation? steht zum Download bereit. Er enthält weitere Fallstudien, Details zu den Finanzbeziehungen und Stellungnahmen. 

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